Transmissionline-Box mit SEAS/Vifa-Bestückung
 
 



Die Box hat große Ähnlichkeit mit der in K&T 2/00 vorgestellten Newtronics Temperance. Auch innen gibt's einige Gemeinsamkeiten:

Wie bei der Temperance arbeiten je 3 Tieftöner (bei mir allerdings SEAS WP 170-S) auf eine etwa 2,5 Meter lange Line. Der Tiefmitteltöner (SEAS W 171 EX-P) wird jedoch nicht in ein geschlossenes Gehäuse gebaut, sondern erhält eine weitere, etwa halb so lange Line. Dadurch unterstützt er zum einen die anderen Tieftöner und füllt das TL-Loch auf. Dies gelingt nur teilweise, da er schließlich nicht gegen 3 Bässe "anstinken" kann. Die zweite Line hat aber einen weiteren, wichtigeren Grund: Die Einbauresonanz des TMT's wird nicht wie bei einem geschlossenen Gehäuse heraufgesetzt; das Chassis sollte bei möglichst tiefer Frequenz (da weniger hörbar) ausschwingen. Diese Line ist zudem stark bedämpft, um möglichst keine Mitteltonanteile nach außen dringen zulassen. Als weitere Maßnahme wurde die Öffnung auf die Rückseite verlegt. Des weiteren wurde die Line so in's Gehäuse konstruiert, daß vom TMT ausgehend ein möglichst langer, bedämpfter Weg bis zur ersten Rückwand zurückgelegt wird, um möglichst wenig nach hinten abgestrahlte Mitteltonanteile wieder nach vorn zu reflektieren.

Ebenfalls wie bei der Temperance sollte der TMT ohne Frequenzweiche arbeiten (deshalb auch das gutmütige Polypropylen als Membranmaterial). Da es ohne FW nicht möglich ist, den zu hohen Frequenzen steigenden Wirkungsgrad eines dynamischen Lautsprechers auszugleichen, müssen die jetzt fehlenden Grundtonanteile anders "aufgefüllt" werden, deshalb kommen überhaupt die drei Bässe zum Einsatz (und nicht aus Bassomaniegründen). Sie werden sehr früh bei etwa 150 Hz  getrennt, allerdings - und hier ist wieder ein Unterschied zu Temperance - nicht mit 6 dB sondern mit 2 Bauteilen, die aber so dimensioniert sind, daß sich eine Flankensteilheit irgendwo zwischen 6 und 12 dB ergibt. die akustische Trennfrequenz liegt ca. bei 900 Hz. Die Dimensionierung aller Frequenzweichenbauteile wurde durch hunderte von Meßreihen experimentell ermittelt (es dauerte wesentlich länger als Planung und Zusammenbau der Box), wobei ich mich hauptsächlich auf Messungen, nicht auf Hörtests, verlassen habe.

Als Hochtöner kam ein Vifa PLH-270 VF6 zum Einsatz. Ich wollte von Anfang an das Abstrahlverhalten berücksichtigen und der PLH-270 paßte mit seinem kleinen Hornansatz und deshalb leichter Bündelung ganz gut ins Konzept. Anfangs kam als TMT wie bei den Bässen ein WP-170 S zum Einsatz. Er lief bis zum oberen Ende seines Übertragungsbereiches (etwa 4,5 kHz) und bündelte dort natürlich schon vernehmlich (so wollte ich es auch). Im Hochtonbereich setzte ich anfangs ein 6 dB - Filter ein, wurde damit allerdings nicht glücklich. Zum einen hatte ich das Gefühl, ich überlaste trotz hoher Trennfrequenz den HT und zum anderen klappte es mit einen linearen Frequenzgang nicht. Als beste Lösung erwies sich tatsächlich ein 18dB-Filter.

Es ergab sich folgender Frequenzgang (quasi-schalltote Messung, daher erst ab ca. 400 Hz aussagekräftig):


 

Nun kam meine Signalprozessorschaltung zum Einsatz, die den Frequenzgang (und auch das Impulsverhalten) idealisierte:


 

Allerdings war ich mit dem Klang nicht sehr zufrieden; es stellte sich nach wie vor eine vielen Lautsprechern anhängende Brillanzbetonung ein (trotz linalglatten Frequenzganges!). Also - Hochtöner raus und Austausch gegen den stärker bündelnden Vifa PLH260 HVF. Der ist mit dem 270er bis auf das Kurzhorn, welches der HVF6 besitzt, baugleich. Zudem wurde der TMT gegen einen W170 EX-P ersetzt, um die Trennfrequenz höher setzen zu können, denn gerade im Bereich um 2 kHz strahlen handelsübliche HT trotz Hornansatz noch recht rund und dies macht sich auch bei hoher Trennfrequenz bemerkbar. Der EX-P ist noch etwas breitbandiger, sodaß die elektrische Trennfrequenz des HT's auf fast 7 kHz(!) gelegt werden konnte. Es ergab sich mit dieser Kombination nach der Signalprozessorkorrektur folgender Frequenzgang :


 

Die rote Kurve stellt eine 30° Messung dar. Der Klang war zum weglaufen! Das Klangbild war derart verfärbt (und wieder muß ich auf den sehr glatten Frequenzgang auf Achse hinweisen), daß z.B. Snaredrums ganz merkwürdig rüberkamen. Man hatte das Gefühl, sie beständen nur aus Obertönen, klangen somit dünn und fast immer verzerrt (keine Ahnung, warum verzerrt). Ich denke, die 30 Grad- Kurve gibt Aufschluß über das Klangverhalten. Sie war einfach viel zu wellig. Im Bereich um 2 bis 3 kHz bündelte er zu wenig, bei 7 kHz zu stark. Der komische Klang der Snares kam vermutlich durch das bei etwa 10 kHz wieder "verbesserte" Rundstrahlverhalten zustande.

Konsequenz: Raus mit dem Hochtöner, den alten wieder rein. Den neuen Tiefmitteltöner habe ich jedoch belassen. Die Messungen ergaben folgendes:


 

Die "auf Achse" Messung (schwarz) ist übrigens nicht irgendwie geglättet; der Lautsprecher hat korrigiert am Mikrostandort (=Hörplatz) diesen Frequenzgang.
Zwar ist auch hier ein Anstieg der 30°- Kurve bei 10 kHz zu bemängeln, aber die Senke bei 7 kHz  ist ziemlich geglättet, überhaupt verläuft die 30° Kurve und somit die Bündelung jetzt wesentlich konstanter. Und der Klang? Hervorragend! Dieses "Snarephänomen" ist vollständig verschwunden und auch ansonsten klingt der Lautsprecher wesentlich besser, unverfärbter. Ich hätte mir zwar ein ingesamt stärkeres Bündelungsmaß gewünscht, da es klanglich immer noch eine leichte Brillianzbetonung zu bemängeln gibt, aber dazu müßte man das ganze Konzept ändern, da ja offensichtlich ein gleichmäiges Bündelungsmaß klangentscheident ist. Der Lautsprecher klingt insgesamt recht unspektakulär und ich kann wirklich nicht behaupten, daß sich die fehlende Frequenzweiche des TMT irgendwie klanglich bemerkbar macht. Nichts von wegen "schlackefrei" (O-Ton K&T bei der Temperance) oder besonders direkt. Er klingt einfach natürlich und auch recht detailreich - nicht mehr und nicht weniger. Der Bass ist sehr sauber und tiefreichend, allerdings fehlt's bei manchen Drums etwas an Druck.

Nur der Vollständigkeit halber eine Frequenzgangmessung mit Raumeinfluß:


 
 
 

Fazit: Meiner Meinung nach bringt das Fehlen der TMT-Frequenzweiche nicht viel.

Absolut klangentscheidend ist das Abstrahlverhalten!!!!

Das haben meine Messungen und Hörerlebnisse eindeutig bestätigt. Das Abstrahlverhalten muß zumindest bis 10 kHz so konstant wie nur irgendmöglich sein und ob ein Lautsprecher analytisch oder warm klingt hängt meiner Meinung nach ganz entscheidend vom Amplitudenfrequenzgang im Bereich 150Hz bis 300 Hz ab. Hier entscheiden teilweise 2 dB welche der eben genannten Klangtendenzen sich einstellt. Leider läßt sich dieser Bereich meßtechnisch nur schwer erfassen, aber ich kann mit meiner Signalprozessorschaltung in diesem Bereich feinfühlig korrigierend eingreifen und wie gesagt damit den gesamten Klangcharakter der Box beeinflußen.

Im Prinzip hätte ich mit einer stinknormalen 3 Wege Box (25er oder 30er Baß, 17er oder 13er Mitteltöner mit FW, 25er  Kalotte) das gleiche erreicht, allerdings hätt's eventuell nicht so ansprechend ausgesehen und die Optik bringt ja auch schon 5 Klangpunkte ;-)

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